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Smartphones für Kinder? Warum frühe Nutzung ein Risiko für die psychische Gesundheit ist

Die Frage, ab wann Kinder ein Smartphone bekommen sollten, beschäftigt viele Eltern. Einerseits bieten Handys Sicherheit im Alltag und ermöglichen den Kontakt zu Freunden. Andererseits wächst die Sorge, dass zu frühe Smartphone-Nutzung die psychische Entwicklung beeinträchtigen könnte. Neue wissenschaftliche Studien bestätigen diese Bedenken – und zeichnen ein alarmierendes Bild.

Frühe Smartphone-Nutzung: Ein Blick auf die Risiken

Die Forschung nennt mehrere Faktoren, die erklären, warum digitale Medien bei Kindern so starke Auswirkungen haben können:

 

1. Soziale Medien: Likes, Follower und permanenter Vergleich erzeugen hohen Druck.

2. Cybermobbing: Angriffe hören nicht nach der Schule auf, sondern begleiten Kinder rund um die Uhr.

3. Bildschirmzeit & Schlafmangel: Smartphones stören Schlafrhythmus und Konzentration.

4. Familiäre Spannungen: Diskussionen über Bildschirmzeit und Nutzungsregeln können den Familienfrieden belasten.

5. Eltern als Vorbilder: Selbst wenn Eltern Apps oder Schutzfunktionen installieren, bleibt ein entscheidender Faktor bestehen – Kinder kopieren den Konsum und das Verhalten der Erwachsenen. Wenn Mama oder Papa ständig am Smartphone hängen, lernen Kinder, dass das „normal“ ist.

 

Das bedeutet: Der Einfluss der Vorbilder ist oft stärker als jede technische Kontrolle.

 

Smartphones und Kinder: Was die Forschung sagt

Eine große Studie mit über 100.000 jungen Erwachsenen weist auf einen klaren Zusammenhang hin: Frühe Smartphone-Nutzung (vor dem 13. Geburtstag) ist mit erhöhten Risiken für die mentale Gesundheit verbunden. Dazu zählen:

 

• Aggression und Reizbarkeit

• Soziale Abkapselung und emotionale Distanz

• Niedriges Selbstwertgefühl

• Suizidgedanken und depressive Symptome

 

Besonders betroffen sind Mädchen, die bereits in der Grundschule ein Smartphone besitzen: Fast 50 % von ihnen berichteten später über schwere Suizidgedanken. Zum Vergleich: Bei Mädchen, die erst nach 13 Jahren ihr erstes Smartphone bekamen, lag der Anteil bei rund 28 %.

 

Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen

 

Die Auswirkungen zeigen sich unterschiedlich je nach Geschlecht:

 

• Mädchen entwickeln häufiger ein geringes Selbstvertrauen und leiden unter sozialem Vergleich sowie Cybermobbing.

• Jungen berichten dagegen häufiger von weniger Empathie und innerer Ruhe.

Beide Gruppen sind also betroffen – wenn auch auf unterschiedliche Weise.

Handy für Kinder: Empfehlungen von Experten

Viele Eltern fragen: Ab wann ein Handy für Kinder?

 

Die meisten Experten empfehlen, den Einstieg so lange wie möglich hinauszuzögern:

 

• Smartphone frühestens ab 13 Jahren

• Einführung von digitaler Medienkompetenz schon vorher, z. B. durch Gespräche oder gemeinsame Bildschirmzeiten

• Als Alternative zunächst ein einfaches Handy ohne Internet (sogenanntes „Notfallhandy“ oder „Kinderhandy“) EIN ALTES SMARTPHONE IST KEINE ALTERNATIVE

• Klare Familienregeln zur Mediennutzung: feste Zeiten, gemeinsame Absprachen, Vorbildfunktion durch Eltern

Die deutsche Leopoldina-Studie: Soziale Medien und psychische Gesundheit

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat 2025 ein vielbeachtetes Diskussionspapier veröffentlicht, das sich mit den Auswirkungen sozialer Medien auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beschäftigt.

 

Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass Kinder in Deutschland oft schon sehr früh Zugang zu Smartphones und sozialen Netzwerken haben – häufig sogar vor dem 13. Lebensjahr. Studien zeigen, dass diese frühe Nutzung mit Depressionen, Angststörungen, Schlafproblemen und Aufmerksamkeitsdefiziten in Verbindung stehen kann.

 

Zwar sind viele Befunde korrelativ, doch es gibt auch Hinweise aus Längsschnittstudien, dass die Nutzung zumindest teilweise ursächlich beteiligt ist.

Besonders problematisch ist, dass Kinder nicht nur durch technische Funktionen wie „unendliches Scrollen“ oder Push-Benachrichtigungen überlastet werden, sondern auch durch das Vorbildverhalten der Erwachsenen.

 

Selbst wenn Eltern Filter-Apps oder Kinderschutzfunktionen einrichten, beobachten Kinder, wie stark ihre Eltern am Handy hängen – und übernehmen dieses Verhalten.

 

Die Leopoldina zieht daraus klare Schlüsse:

• Unter 13 Jahren sollten Kinder KEINEN eigenen Zugang zu sozialen Medien haben, da diese „grundsätzlich ungeeignet“ seien.

• Für 13- bis 15-Jährige wird eine Nutzung nur mit elterlicher Zustimmung und enger Begleitung empfohlen.

• Bis 17 Jahre sollten bestimmte Funktionen eingeschränkt bleiben, etwa Push-Benachrichtigungen oder Livestreams.

• Zusätzlich wird gefordert, Smartphones in Kitas und an Schulen bis zur 10. Klasse nicht zuzulassen.

 

Die Akademie betont, dass es nicht darum geht, digitale Medien generell zu verteufeln. Vielmehr müsse ein verantwortungsvoller und entwicklungsangemessener Umgang gefördert werden, der Kinder schützt, ohne sie von wichtigen Lern- und Kommunikationsmöglichkeiten auszuschließen.


Warum ein eigenes Smartphone für Kinder unter 13 auch mit Schutzfunktionen nicht zu empfehlen ist

1. Kinder kopieren das Verhalten der Eltern

Auch wenn Schutzfunktionen installiert sind: Kinder sehen, wie oft Mama oder Papa am Handy sind – und lernen, dass das „normal“ ist. Verhalten wirkt stärker als jede App.

 

2. Technischer Schutz ist leicht zu umgehen

Viele Kinder lernen schnell, wie sie Sperren umgehen oder über Umwege (z. B. Freunde, WLAN, Zweitgeräte) trotzdem Zugang zu Inhalten erhalten. Elternschutz vermittelt also oft eine Scheinsicherheit.

 

3. Reife Gehirnentwicklung fehlt

Kinder können Risiken noch nicht einschätzen. Selbst mit eingeschränkten Apps sind sie empfänglich für Reizüberflutung, Ablenkung und emotionale Überforderung. Filter können das nicht ausgleichen.

 

4. Soziale Abhängigkeit

Ein eigenes Gerät bedeutet: Ständige Erreichbarkeit und Gruppendruck. Auch wenn Social Media blockiert ist, entstehen Chats, Gruppenzwang und Stress durch Vergleiche.

 

5. Schlafprobleme und Konzentrationsstörungen

Das Problem ist nicht nur „welche Inhalte“ konsumiert werden, sondern wann und wie oft. Ein eigenes Smartphone verführt dazu, auch nachts erreichbar zu sein. Das stört Schlafrhythmus und Lernfähigkeit.

 

6. Digitale Suchtmechanismen

Viele Apps (Spiele, Chats, Videos) arbeiten mit Belohnungssystemen (Likes, Punkte, Nachrichten). Diese Mechanismen wirken auch ohne Social Media – Filter verhindern die Suchtspirale nicht.

 

7. Familienkonflikte statt Entlastung

Ein eigenes Smartphone führt oft zu Diskussionen: „Noch 5 Minuten“, „Nur ein Spiel“, „Alle anderen dürfen auch“. Schutz-Apps ändern nichts daran – sie können die Konflikte sogar verschärfen.

 

8. Verlust echter Kindheitserfahrungen

Zeit am Smartphone ersetzt Spielen draußen, kreative Langeweile, soziale Erfahrungen im echten Leben. Selbst mit Schutzfunktionen bleibt das Grundproblem: Ein Bildschirm kann kein echtes Kindsein ersetzen. 

Fazit

Smartphones gehören heute zum Alltag. Doch gerade bei Kindern gilt: Je später, desto besser. Wer den Einstieg zu früh zulässt, riskiert langfristige Folgen für die psychische Gesundheit. Eltern können ihre Kinder am besten unterstützen, indem sie klare Grenzen setzen, digitale Medien Schritt für Schritt einführen und vor allem selbst bewusst Vorbilder im Umgang mit dem Smartphone sind.

Eure Kobras

Quellen & Studien

• Twenge, J. M., & Campbell, W. K. (2018). Associations between screen time and lower psychological well-being among children and adolescents: Evidence from a population-based study. Preventive Medicine Reports, 12, 271–283.

• Przybylski, A. K., & Weinstein, N. (2017). Digital Screen Time Limits and Young Children’s Psychological Well-Being: Evidence From a Population-Based Study. Child Development, 90(1), e56–e65.

• Odgers, C. L., & Jensen, M. R. (2020). Annual Research Review: Adolescent mental health in the digital age: facts, fears, and future directions. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 61(3), 336–348.

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